Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich Hamburg infolge der Reichsgründung und eines rasanten wirtschaftlichen Aufschwungs zu einer modernen Hafenstadt von Weltformat entwickelt. Jedoch fehlte Hamburg bis dahin eine repräsentative Schauspielbühne, die dem gewachsenen Selbstbewusstsein der Stadt und seines Großbürgertums Rechnung tragen konnte. Die damals existierenden Theater in Hamburg boten vor allem musikalische Genres und kommerzielle Unterhaltung. Auf Initiative des Theaterkritikers Heinrich E. Wallsee und des Vereins „Hamburger Bürger zu St. Georg“ entstanden Pläne zur Errichtung eines Schauspielhauses nach Vorbild des Wiener Burgtheaters. Es sollte in direkter Nähe des geplanten „Centralbahnhofs“ entstehen. Im Juni 1899 gründeten 84 Teilhaber, überwiegend Hamburger Finanziers und Kaufleute, die „Aktiengesellschaft Deutsches Schauspielhaus“. Sie beriefen den bekannten Wiener Literaturprofessor Alfred von Berger zum ersten Intendanten und beauftragten die erfahrenen Wiener Architekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer mit einem Theaterneubau, der sich in seiner neobarocken Gestalt am Wiener Volkstheater anlehnte. Die Benennung in „Deutsches Schauspielhaus“ knüpfte nicht zufällig an das Nationaltheater-Projekt an, welches Mitte des 18. Jahrhunderts ebenfalls durch finanzkräftige Hamburger Bürger betrieben worden war und für das sich zeitweise auch Gotthold Ephraim Lessing engagiert hatte.
Historie
Pläne für ein neues Schauspielhaus
Die Gründerjahre 1900-1918
Mit seiner Kapazität für 1.831 Zuschauer war das Deutsche Schauspielhaus überaus ambitioniert und auch größer als manches Opernhaus konzipiert worden. Bis heute zählt das Schauspielhaus zu den größten Sprechtheatern im deutschsprachigen Raum.
Am 15. September 1900 wurde es mit einer Vorstellung von Goethes „Iphigenie auf Tauris“ eröffnet. Regie führte Alfred von Berger selbst. In seiner Direktionszeit wurde das Repertoire im Wesentlichen durch die Werke der deutschen Klassik, Shakespeares sowie durch die Dramen Hebbels bestimmt. Der unter Berger gepflegte Inszenierungsstil orientierte sich an dem prächtig-prunkvollen Illusionismus des Burgtheaters und dem Regiestil der Meininger Hofbühne. Ein Besuch von Kaiser Wilhelm II. im Dezember 1900 unterstrich die hohen Erwartungen, die an das neugegründete Theater gerichtet wurden.
Die um die Jahrhundertwende einsetzende Theaterreformbewegung, die mit ihrer Ablehnung des naturalistischen Inszenierungsstils die ästhetische Autonomie des Theaters wiederzugewinnen suchte, erreichte mit Carl Hagemann vorübergehend auch das Deutsche Schauspielhaus. Als neuer Direktor war er zwischen 1910 und 1913 bestrebt, das Repertoire für die literarische Moderne zu öffnen, insbesondere für Werke von Strindberg, Schnitzler und Wedekind. Trotz der positiven Reaktionen in der Presse vermochte Hagemann insgesamt mit seinen Bemühungen um ein „modernes Kulturtheater“ das Hamburger Publikum nicht zu überzeugen.
Privattheater in der Weimarer Republik 1918-1932
Als Privattheater ohne staatliche Zuschüsse musste das Deutsche Schauspielhaus wirtschaftlich schwere Zeiten während des Ersten Weltkriegs und der Weltwirtschaftskrise überstehen. Die neuen Lichtspieltheater und Unterhaltungsbühnen in St. Pauli entwickelten sich zu einer immer größeren Konkurrenz.
Es war kaum möglich, Deutschlands größtes Sprechtheater wirtschaftlich profitabel zu betreiben. Seit 1918 führte Paul Eger das Haus, der es weitgehend konsolidierte, dessen Programm aber zwischen Gesellschaftsabenden mit Damen-Preisboxen und Hauptmanns „Biberpelz“ hin und her schwankte. Als der Aufsichtsrat 1926 Erich Ziegel (den Gründer der Hamburger Kammerspiele) berief, hoffte man auf dessen künstlerisches Renommee, doch sein Programm (u.a. mit Dramen von Jahnn und Brecht) fand nicht die erhoffte Anerkennung, weshalb er bereits 1928 den Posten abgab. Das Schauspielhaus stand kurz vor dem Bankrott. Die Thalia Theater GmbH, die sich schon frühzeitig in die Aktiengesellschaft des Schauspielhauses eingekauft hatte, erzwangen kurzerhand die Fusion des Schauspielhauses mit dem Thalia Theater unter Hermann Röbbelings Generaldirektion, weil man so Kosten zu sparen dachte. Allerdings brachte diese Zusammenlegung nicht den erwünschten Effekt, weshalb es schon ab 1932 wieder zwei Leiter für die beiden Theater gab.
Staatliches Schauspielhaus 1932-1945
Im Zuge der Gleichschaltung während des „Dritten Reiches“ wurde auch das Schauspielhaus 1934 verstaatlicht. Bis 1935 wurden alle als jüdisch eingestuften Mitarbeiter entlassen. Bereits Ende der 1920er Jahre war es zu heftigen Übergriffen durch NSDAP-Mitglieder gekommen, die gezielt Vorstellungen zeitkritischer Werke stürmten.
Stücke jüdischer und linker Autoren mussten vom Spielplan verschwinden, Werke der von der Reichs-Kulturkammer besonders geförderten Autoren mussten neu aufgenommen werden. Intendant Karl Wüstenhagen, seit 1932 im Amt, setzte vor allem auf Unterhaltungsstücke und ein klassisches Repertoire, wobei vielfach den Werken eine propagandistische Aussage aufoktroyiert wurde. Künstlerische Höhepunkte waren die Inszenierungen des nicht unumstrittenen Regisseur Jürgen Fehling, der 1935 Schillers „Don Carlos“ und Lessings „Minna von Barnhelm“ inszenierte.
Kriegsende und Wiederaufbau 1945-1955
Im September 1944 wurden alle Theater in Deutschland geschlossen und das Deutsche Schauspielhaus diente in der Folge als Rüstungswerkstatt.
Zwar erlitt das Deutsche Schauspielhaus während der Bombardierungen einige Schäden, es wurde aber durch eine hauseigene Luftschutzwache vor der Zerstörung bewahrt und war nach dem Krieg eines der wenigen spieltauglichen Theater in Hamburg. Das britische Militär beschlagnahmte jedoch das Gebäude, so dass der Spielbetrieb im November 1945 zunächst in Ausweichspielstätten aufgenommen werden musste. 1948 wurde das Haus durch die britischen Besatzer an den neuen Intendanten Albert Lippert übergeben, der das Theater bis 1955 leitete.
Die Ära Gustaf Gründgens 1955-1963
Zu besonderem Ruhm gelangte das Deutsche Schauspielhaus, als 1955 bis 1963 Gustaf Gründgens das Haus leitete. Gründgens war bereits während des Nazi-Regimes einer der bekanntesten Schauspieler und Regisseure des Landes gewesen und hatte bis 1945 als Generalintendant der Preußischen Staatstheater in Berlin Karriere gemacht.
Seine „Faust“-Inszenierungen 1957 und 1958 (mit Will Quadflieg in der Titelrolle) gingen als „Hamburger Faust“ in die Geschichte ein und brachten dem Theater nationale wie internationale Beachtung (u.a. Gastspiele in New York und Moskau). Allerdings verstand sich das ausschließlich der „Werktreue“ verpflichtete Theater von Gründgens nicht als Spiegel der Gesellschaft, sondern vielmehr als dessen Gegenwelt. Trotzdem prägte lange Jahre die Gründgens-Zeit das Ansehen des Deutschen Schauspielhauses und die Erwartungen seines Stammpublikums.
Die Bühne als politischer Raum 1963-1971
Die nachfolgenden Intendanten verweigerten sich mehr oder weniger der Festlegung auf die Erfordernisse einer Repräsentationsbühne von eher traditionellem Zuschnitt. Ab der Spielzeit 1963/64 stellte Intendant Oscar Fritz Schuh in bewusstem Gegensatz zu seinem Vorgänger Gründgens erstmals das zeitgenössische Drama in den Mittelpunkt seiner Planungen.
Eine starke Gruppe innerhalb der lokalen Presse missbilligte jedoch diese wie auch spätere Anstrengungen, für das Deutsche Schauspielhaus eine zeitgemäßere Linie zu entwickeln, da man der Meinung war, durch Gustaf Gründgens doch gerade erst den so lange erhofften Aufstieg des Hauses zur „Weltstadtbühne“ erreicht zu haben.
Die folgende Zeit häufiger Intendantenwechsel ist nicht allein auf die Probleme einzelner Theaterleiter zurückzuführen, sondern belegt die schwierige Identitätsfindung dieses großen Hauses, das sich nach der Gründgens-Intendanz den gewandelten Sehgewohnheiten und einem zeitgemäßen Theaterverständnis gegenüber zu öffnen begann. Auf die Intendanten Egon Monk und Hans Lietzau folgte Rolf Liebermann, unter dem 1971 der Umbau der ehemaligen Kulissenwerkstatt zu einer zweiten Spielstätte, dem „Malersaal“, erfolgte. Damit hatte das Deutsche Schauspielhaus endlich – wie viele andere Theater auch – eine eigene Experimentalbühne bekommen. Der Malersaal machte auch gleich mit seiner ersten Inszenierung von sich reden: „Stallerhof“ von Franz Xaver Kroetz.
Regietheater 1972-1979
Mit Ivan Nagels Intendanz 1972 bis 1979 setzte sich ein zeitgemäßes Theater provokanter Inszenierungen durch. „Vielsprachigkeit“ hieß die Formel für die ersten Jahre von Nagels Intendantentätigkeit.
Neben Luc Bondy, Wilfried Minks, Claus Peymann, Peter Zadek und Jérome Savary holte Nagel auch die Regisseure Rudolf Noelte, Giorgio Strehler, Manfred Karge und Matthias Langhoff an das Deutsche Schauspielhaus. Höhepunkt und größter Theaterskandal in Hamburg nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1976 Peter Zadeks Inszenierung von „Othello“, mit Ulrich Wildgruber in der Titelrolle und Eva Matthes als Desdemona.
Alternative Theaterkonzepte 1980-1991
1981 trat Niels-Peter Rudolph seine Intendanz mit dem Zugeständnis an, seine Arbeit nicht in der Kirchenallee, sondern in Ausweichquartieren zu beginnen, um die längst fälligen Renovierungsmaßnahmen am Schauspielhaus durchführen zu können.
1982 bis 1984 wurde das Theater umgebaut und erweitert, Foyer und Zuschauerraum, deren neobarockes Dekor während des Nazi-Regimes teilweise verbaut worden war, wurden wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt. Ausweichquartier für das Große Haus wurde das Operettenhaus am Spielbudenplatz, für den Malersaal die Kampnagelfabrik. Kampnagel wurde kraft seiner Architektur und seiner Identität mehr als nur ein Ersatz für den Malersaal: Die Präsenz des Schauspielhauses auf dem Gelände am Osterbekkanal, für das bereits ein Bebauungsplan für Wohnungen vorlag, verhalf diesem schnell zu einer großen Attraktivität – nach drei Jahren war die Legitimation und die Eignung der Kampnagelfabrik, insbesondere für alternative Theatermacher und freie Gruppen, nicht mehr in Frage zu stellen.
Peter Zadek startete seine Intendanz 1985 mit der Ankündigung, „großes, populäres Theater“ machen zu wollen, „wie es sich für dieses Haus gehört; Theater für viele Menschen, für viele Arten von Menschen, ... für das breite Publikum.“ Dieser Zielsetzung entsprach Zadek vor allem mit dem Musical „Andi“ von Burkhard Driest und Peer Raben (1986). Ein großer Erfolg bei Publikum und Kritik wurde 1988 Zadeks Inszenierung der Urfassung von Frank Wedekinds „Lulu“, eingeladen zum Theatertreffen in Berlin und zur Inszenierung des Jahres 1988 gewählt. Im Ensemble spielten namhafte Größen wie Susanne Lothar, Gert Voss, Jutta Hoffmann, Ulrich Wildgruber, Hermann Lause, Ilse Ritter, Eva Matthes oder Ulrich Tukur. Zu einer Verlängerung des Intendantenvertrages über die Spielzeit 1988/89 hinaus war Peter Zadek nicht bereit; die Aufgaben der Intendanz führten offenbar zunehmend zu unlösbaren Konflikten mit den Ambitionen des Regisseurs.
Mit einem stark unterhaltungsgeprägten Spielplan versuchte Michael Bogdanov von 1989 bis 1991 das Haus zu füllen. Seine rasanten Klassikerinszenierungen und britischen Gebrauchsstücke erreichten ein großes Publikum.
Aufbruch 1993-2000
Unter der Intendanz von Frank Baumbauer – 1993 bis 2000 – erspielte sich das Deutsche Schauspielhaus abermals den Ruf, eines der besten Theater im deutschsprachigen Raum zu sein. In verstärktem Maße spiegelte der Spielplan zeitgenössische Dramatik wider, hielten auch themenbezogene Projekte Einzug in ein Staatstheater.
Regisseure wie Christoph Marthaler, Frank Castorf, Johann Kresnik, Wilfried Minks, Jossi Wieler, Matthias Hartmann, Stefan Bachmann und Karin Beier arbeiteten regelmäßig am Haus, an dem Stücke von Elfriede Jelinek und Rainald Goetz ihre Uraufführung erlebten. Dreimal wählten führende Theaterkritiker aus dem deutschsprachigen Raum das Deutsche Schauspielhaus zum „Theater des Jahres“. Zahlreiche Inszenierungen und Künstler des Schauspielhauses erhielten Preise und Auszeichnungen, und die nationalen und internationalen Einladungen zu bedeutenden Festivals machten das Schauspielhaus zu einem wichtigen Kulturbotschafter der Stadt.
Experimentelles Theater 2000-2005
Von 2000 bis 2005 leitete Tom Stromberg das Deutsche Schauspielhaus. Er war zuvor künstlerischer Leiter der EXPO und brach mit der Wahl junger Hausregisseure und spartenübergreifenden Projekten bewusst mit den Erwartungen des Stammpublikums.
Stromberg setzte sich für ein experimentierfreudiges und internationales Theater ein. Für die Fortführung des Ensemble- und Repertoiretheaters standen Regisseure wie Jan Bosse, Ute Rauwald, Ingrid Lausund und Stefan Pucher. 2005 wählten führende Theaterkritiker das Deutsche Schauspielhaus abermals zum „Theater des Jahres“.
Ensembletheater 2005-2013
Friedrich Schirmer, der eine erfolgreiche Intendanz am Stuttgarter Schauspiel beendete, trat 2005 die Nachfolge von Tom Stromberg an. Er begründete das Junge Schauspielhaus als eigene Sparte, die bis heute unter der Leitung von Klaus Schumacher besteht.
Neben einem neuen Ensemble engagierte Friedrich Schirmer Regisseure wie Martin Kušej, Jürgen Gosch, Karin Henkel, Ivo van Hove, Sebastian Nübling und Volker Lösch. Im September 2010 gab Friedrich Schirmer wegen „gravierender Unterfinanzierung“ des Deutschen Schauspielhauses seinen vorzeitigen Rücktritt bekannt. Bis 2013 war Jack F. Kurfess als kaufmännischen Geschäftsführer die kommissarische Leitung.
Intendanz Karin Beier
2013 übernahm mit der aus Köln kommenden Karin Beier erstmals eine Frau die Intendanz des Deutschen Schauspielhauses.
Neben ihr inszenieren einige der einflussreichsten Theaterregisseure am Haus: Katie Mitchell, René Pollesch, Christoph Marthaler, Karin Henkel oder Frank Castorf.