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Das große Heft

Ab 16 Jahren

basierend auf »Le Grand Cahier« von Ágota Kristóf
Regie: Karin Henkel
Premiere am 15/11/2025
SchauSpielHaus
2 Stunden
30 Minuten
inkl. einer Pause
Kristof Van Boven und Nils Kahnwald stehen nebeneinander auf der Bühne. Kristofs Oberkörper neigt sich etwas in Richtung von Nils, die beiden blicken in dieselbe Richtung. Im Hintergrund sitzt Julia Wieninger auf einem Podest und beobachtet die beiden. Auf der Bühne verstreut stehen Notenständer, eine Kiste und eine Trommel. Weiter im Hintergrund tanzt eine Tänzerin.
Kristof Van Boven liegt bäuchlings auf einer Kiste. Er ist nackt, seine Beine sind angewinkelt und er ist mit Blut beschmiert. Hinter ihm auf der Kiste steht eine Tänzerin in ein weißes Laken gehüllt, das nur ihr Gesicht zeigt und sie schaut Kristof Van Boven an. Um sie herum stehen Notenständer. Am Boden stehen ein Paar schwarze Absatzschuhe sowie Flaschen mit roter Flüssigkeit.
Drei Personen stehen nebeneinander hinter einem Podest und stellen einen Fuß darauf ab. Dabei strecken sie ihre Arme nach oben. Eine weitere Person steht breitbeinig auf dem Podest und trägt eine weiße Maske. Im Hintergrund stehen verteilt Notenständer auf der Bühne und eine Person neben einer Trommel. Über dem Bühnengeschehen hängt eine große kreisförmige Konstruktion aus verschiedengroßen und -artigen Lautsprechern.
Julia Wieninger sitzt in einem lila-grün-karierten Anzug mit weißem Hemd an einem Tisch. Neben dem Tisch stehen zwei schwarze Mülleimer. Ihre linke Hand ist erhoben, ihr Mund ist geöffnet. Um sie herum stehen viele Notenständer quer im Raum verteilt.
Kristof Van Boven und Nils Kahnwald stehen nebeneinander auf der Bühne. Sie tragen schwarze Leggings mit weißen Mustern, kurze Jeanshosen darüber und dunkelgrüne Jacken mit Symbolen und Bildern, wie einem Spinnennetz, Sternen, Feuer, Herzen, Skeletten. Hinter ihnen mittig steht Maria Carolina Vieira und schaut gerade zwischen ihnen hindurch.
Alle sieben Zeitzeug*innen der Inszenierung sitzen nebeneinander auf der Bühne. Eine Person mittig hat eine Hand gehoben und Mittel- und Zeigefinger gespreizt. Alle schauen zu ihr. Rechts steht Julia Wieninger an einem Mikrofon, Kristof Van Boven sitzt zu den Füßen der sprechenden Person und schaut sie an. Über der Szene hängt eine große runde Stahlkonstruktion aus vielen unterschiedlich großen alten trichterförmigen Lautsprechern, Scheinwerfern und Ventilatoren.
Kristof Van Boven und Nils Kahnwald stehen nebeneinander auf der Bühne. Sie tragen dreck- und blutverschmierte blaue Jeanshosen und graue Unterhemden mit vielen kleinen Löchern. Beide lächeln, unter dem Arm von Kristof Van Boven ist der Kopf von Sabine Molenaar zu sehen, ihr Haar fällt herunter, sie schaut nach oben, aus ihrem Mund läuft Blut. Über ihnen hängt eine große runde Stahlkonstruktion aus vielen unterschiedlich großen alten trichterförmigen Lautsprechern, Scheinwerfern und Ventilatoren.
Eine senkrecht hängende große runde Stahlkonstruktion aus vielen unterschiedlich großen alten trichterförmigen Lautsprechern, Scheinwerfern und Ventilatoren. Davor stehen Kristof Van Boven und Nils Kahnwald auf einem Podest. Sie tragen schwarze Leggings mit weißen Mustern, kurze Jeanshosen darüber und dunkelgrüne Jacken mit Symbolen und Bildern, wie einem Spinnennetz, Sternen, Feuer, Herzen, Skeletten. Zu ihren Füßen sitzt Julia Wieninger in einem lila-grün karierten Anzug. Auf dem Boden verteilt

Zwei Brüder, Zwillinge, werden aus der Stadt zu ihrer Großmutter aufs Land gebracht. Es ist Krieg, die Stadt wird bombardiert. „Ich werde euch zeigen, wie man lebt!“, sagt ihre Großmutter, die im Dorf allgemein „die Hexe“ genannt wird. Ihre beiden Enkel nennt sie „Hundesöhne“ – Zuneigung und Zärtlichkeit können die Kinder von ihr nicht erwarten. Nahezu auf sich allein gestellt, müssen sie lernen, wie man in einer Welt der Gewalt, des Hungers und des Elends überlebt; wie man unempfindlich wird gegen psychischen und physischen Schmerz; wie man bettelt, lügt, stiehlt und tötet. Spiel gibt es nicht in dieser Welt; alles ist Training für den Ernstfall, für die Entscheidung über Leben und Tod. Ihre Erlebnisse und Erfahrungen sammeln die Zwillinge in einem großen Heft. Ágota Kristóf erfindet dafür eine einzigartige Sprache, die sie als Autorin weltberühmt macht: Analytisch, beobachtend, kalt erzählen die Kinder ihren Alltag im Krieg. Die Gefühle, die das Erzählte auslöst, sind umso beklemmender.

In Karin Henkels Inszenierung begegnet dieser literarische Blick auf den Krieg den Stimmen jener, die ihn erlebt haben: Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die als Kinder den Hamburger Feuersturm überlebt haben - jene Tage im Juli 1943, als ganze Stadtteile Hamburgs in Flammen aufgingen. Die Zeitzeug*innen erzählen von Nächten im Keller, von brennender Luft, von Eltern, die verschwanden, und vom langen Schweigen danach, aber auch davon, wie der Feuersturm die Rettung vor der drohenden Deportation in ein Vernichtungslager bedeutete.

Hinweis

content note

Diese Inszenierung thematisiert und zeigt Krieg, den Holocaust, psychische Erkrankung, sexualisierte Gewalt an Frauen und Kindern, selbstverletzendes Verhalten und Suizid. Es werden Stroboskopeffekte eingesetzt, dadurch kann es zu Blendungsreaktionen kommen.

Pressestimmen

FAZ

„Die Szene mit den Feuersturm-Zeugen ist die eindrucksvollste eines Hamburger Theaterabends, der sich, basierend auf Ágota Kristófs kurzem, auf den Schmerzkern reduzierten Prosatext „Das große Heft“ an den Krieg als Inbegriff des inneren Erlebens heranwagt. […] Regisseurin Karin Henkel setzt der starken literarischen Stimme über den Krieg die schwächer werdenden Stimmen der Kriegserinnerung entgegen.“ (Simon Strauss)

Die ZEIT

„[Bühnenbildnerin] Katrin Brack hat für Henkels Inszenierung ein so beeindruckendes wie unheimliches Objekt entworfen: Wie eine riesige Drohne schwebt es über dem Geschehen, in seiner Mitte kreiseln Propeller, seinen Rand bestücken Suchscheinwerfer und Megafone. […] Aus den Megafonen hallen Texte wider, brüllen Motorengeräusche, manchmal Schreie. Es ist ein starkes Bild, das so abstrakt wie konkret vom Krieg erzählt, gemeinsam mit den unruhig dräuenden Sounds des Künstlers Arvild J. Baud, die auch immer mal aus den Megafonen grollen.“

„[…] Ein Spiel zwischen Van Boven und Kahnwald, die dieses Brüderpaar mit wacher Neugier ausstatten, mit naiver Abenteuerlust und großer Furchtlosigkeit. […] Man erlebt zwei grandiose Spieler, die mit harten Worten und weichen Knien vom Alphabet des Überlebens erzählen. Nahbar, menschlich und fast heiter.“ (Katrin Ullmann)

Hamburger Abendblatt

„Wie Kristof Van Boven und Nils Kahnwald diesen Text beleben, ist große wahrhaftige Kunst. Jeder von ihnen offenbart eine andere Schattierung der Zwillinge, die jedoch den gleichen Ton teilen.“

„Es ist eine kluge Entscheidung, auf die Kraft der Sprache und Bewegungsbilder zu vertrauen anstelle einer Illustration von Grausamkeit. Die hypnotische Elektronik des Musikers Arvild J. Baud, die manchmal auch wie Gewehrfeuer schallt, trägt zur maximal beklemmenden Stimmung bei.“

„Henkel zieht eine dokumentarische Ebene ein, die Sinn ergibt – auch in ihrer Bandbreite. […] Die Romanadaption wird durch die bezeugte Wirklichkeit des Krieges maximal beglaubigt – aber auch auf den Kopf gestellt, denn hier wird jede Distanznahme eingerissen. Das […] verfehlt seine aufrüttelnde Wirkung nicht.“ (Annette Stiekele)

SZ

„[Ágota Kristófs Roman „Das große Heft“] ist so etwas wie der Text zur Stunde. Nicht weil er vom Krieg handelt, denn Krieg war immer irgendwo. Sondern weil der moralische Verfall in scheinbar friedlichen Ländern gerade Ausmaße annimmt, die genau die Frage der Zwillinge stellt: Wie kann ethisches Verhalten in einem sauren Klima aus Egoismus, Zynismus und Willkür überleben? Und das beschäftigt gerade auch die Theater.“

„So ist in diesem historisch pessimistischen Roman die Selbsterhaltungsethik das eigentlich Erbauende. Denn diese Zwillinge wissen als Einzige, was sie tun. Egal, wie die Ungeheuerlichkeit der Verhältnisse sich nennt und verkleidet, die saubere Trennung von Schuld und Unschuld gelingt ihnen mit festen Prinzipien. Diese rettende Sturheit führt Henkels Inszenierung in aller Düsterheit als leuchtenden Pfad vor. Wer ihn betritt, muss sich allerdings auf was gefasst machen.“ (Till Briegleb)