Late Night Hamlet
In Kooperation mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen und krass&krasser
„Denn jede Übertreibung“, so sagt Hamlet dem Schauspieler im dritten Akt, „geht weg vom Zweck des Spielens, der von Anfang an bis heute war und ist, ein Spiegelbild der Natur zu finden, den Abdruck der Gestalt des ganzen Zeitalters.“ Es sind unruhige Zeiten. Krisen, Konflikte, Kriege, wo man hinschaut. Eine stabil geglaubte Gesellschafts- und Weltordnung zerreißt, altbekannte Deutungsmuster sind infrage gestellt. Zu erleben ist eine Zeitenwende, ein Paradigmenwechsel. Heute wie zu Hamlets Zeiten. „Es ist etwas faul im Staate“. Hamlets Vater ist ermordet worden, Verabredungen werden neu getroffen, sowohl am Hofe als auch in Europa. Friedensabkommen sind nicht mehr in Kraft: Dänemark befindet sich wieder im Krieg mit Norwegen. Der überraschende Tod des Vaters, die sich neu sortierende Ordnung und dazwischen steht Hamlet, Kind und Zukunft, zurückgerufen von der Eliteuniversität in Wittenberg, dem es angesichts der Umstände unmöglich wird zu handeln.
Er steckt in seiner Geschichte, in den Erwartungen an ihn fest. Er soll Rollen spielen, die er nie hat spielen wollen. Er weiß nicht, wie er seiner Rolle als Sohn, Prinz und Racheengel entkommen kann, wie er den Auftrag ausführen soll, der ihm aufgegeben ist. Angesichts der Welt, die nicht mehr offen scheint, die sich verschließt, gerät er in Momente der totalen Ohnmacht und Lähmung, Angst und Trauer. Bis zum bewussten Gang in den Wahnsinn. Late Night. Und im Zentrum der prominente Schauspieler Charly Hübner inmitten dieses Erwartungstheaters. Was soll und kann er hier und heute tun? Mit allen theatralischen Mitteln, die ihm, dem ratlosen Narren, zur Verfügung stehen. „Wer da?“ lauten die ersten Worte des Stückes. Wer bin ich in der Welt? Wie kann ich zur Lösung der Herausforderungen beitragen? Auftritte, Abtritte. Ist das das Thema? Ist die ganze Welt eine Bühne und wir alle sind lediglich Spieler*innen? Hat der Narr die Kraft das Spiel zu lenken?
Regisseur Kieran Joel erforscht in seinen Arbeiten spielerisch und humorvoll das Verhältnis von Theater und Wirklichkeit, Fakt und Fiktion, Identität und (sozialen) Rollen und macht Theater immer wieder zum gleichermaßen klugen wie kurzweiligen Vergnügen. »Late Night Hamlet«, eine Eigenproduktion der Ruhrfestspiele in Kooperation mit dem Deutschen SchauSpielHaus Hamburg, ist eine rasante Stückentwicklung, die sich aus der Perspektive des Schauspielers komisch und tragisch mit den Hamlet-Fragen und unserer Gegenwart auseinandersetzt. Ein Solo mit Charly Hübner.