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Zukunft der Demokratie #1

Lukas Bärfuss im Gespräch mit:

#1 Herfried Münkler: Wie es um die Demokratie bestellt ist
SchauSpielHaus
Zukunft der Demokratie / Reiner Zensen
Lukas Bärfuss / Maximilian Lederer
Motiv: Rocket&Wink

Keine aktuellen Termine

Das Ende des demokratischen Zeitalters wird prognostiziert. Woher dieser Pessimismus? Wie lässt sich diese Entwicklung aufhalten? Wo stößt die liberale Demokratie an Grenzen? Wie erlangen Bürger*innen politische Urteilskraft? Wie steht es um den Gemeinsinn? Lässt sich mit den langsamen demokratischen Verfahren den alarmierenden gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen begegnen? Und wie reden wir darüber? Wie können wir uns als Gesellschaft einigen und worauf? Auf die Gesetze, die Fakten? Aber wer entscheidet darüber?

Unter der Leitung des Schriftstellers Lukas Bärfuss lädt das Deutsche SchauSpielHaus Hamburg in einer neuen Reden- und Gesprächsreihe prominente Gäste aus der Zivilgesellschaft ein, die mit Wort und Tat ihren Einsatz für die Demokratie leben und bittet sie um Ermutigung, Vertiefung, Information und Visionen für die Zukunft dieser Staatsform. Den Auftakt macht der Politikwissenschaftler Herfried Münkler.


 

Die Demokratie der Zukunft wird eine andere sein als die Demokratie der Gegenwart. Bliebe sie dieselbe, so hätte die Demokratie keine Zukunft. Sie muss vielmehr durch eine Reihe von Veränderungen zukunftsfähig gemacht werden, um Bedrohungen und Herausforderungen gewachsen zu sein, wie sie bereits jetzt erkennbar sind. Es sind Bedrohungen von außen, die im Zuge einer sich dramatisch verändernden Weltordnung auf die Demokratien zukommen, unter anderem in Form einer hybriden Kriegsführung, mit der die russische Führung seit Jahren die europäischen Demokratien zu destabilisieren sucht. Es sind aber ebenso Bedrohungen von innen – einerseits meine ich damit eine wachsende Gleichgültigkeit der Bevölkerung gegenüber der bürgerschaftlichen Teilnahme an der Politik, andererseits eine offen zur Schau gestellte Feindseligkeit gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat vonseiten derjenigen, die meinen, eine Demokratie gebe es dann, wenn ihr eigener Wille gelte und durchgesetzt werde. Weil das jedoch nicht der Fall ist und die liberale Demokratie eine Reihe von rechtlichen Beschränkungen des Volkwillens aufweist, erklären diese Menschen, die bestehende Ordnung sei überhaupt keine Demokratie und eine Demokratie habe man in Europa schon lange nicht mehr.

Gegen diesen doppelten Angriff muss sich die Demokratie verteidigen können, aber das hat Voraussetzungen, die zurzeit nicht oder nur teilweise gegeben sind. Dabei geht es weniger um rechtliche Möglichkeiten und institutionelle Arrangements als um den entschiedenen Willen einer Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, die demokratische Ordnung gegen ihre Feinde verteidigen zu wollen. An den engagierten Bürgerinnen und Bürgern, ihrer Bereitschaft zum Engagement, ihrer Sachkompetenz und ihrer politischen Urteilskraft, entscheidet sich die Zukunft der Demokratie. Die zahllosen Herausforderungen, die sich bereits jetzt stellen und die in Zukunft noch bedrängender werden dürften, von der Resilienz gegenüber den sich mit großer Wahrscheinlichkeit häufenden Pandemien bis zur Begrenzung des Klimawandels und des Artensterbens, von der Bekämpfung des Hungers im globalen Süden bis zu den Kriegen an den Rändern Europas, werden sich in demokratischer Form nur bearbeiten lassen, wenn die Mehrheit der Bevölkerung eines Landes aus Bürgerinnen und Bürgern besteht, die sich den bürgerschaftlichen Aufgaben auch stellen. Das heißt: Wenn die Demokratie als politische Ordnung so attraktiv ist, dass eine Mehrheit der Bevölkerung den Willen hat, nicht nur qua Personaldokumente, sondern im politikpartizipativen Sinn Bürgerin und Bürger zu sein. Die Demokratie der Zukunft ist auf das Vorhandensein möglichst vieler engagierter, sachlich kompetenter und urteilsfähiger Menschen angewiesen – oder aber sie hat keine Zukunft.

Herfried Münkler: Die Zukunft der Demokratie, Christian Brandstätter Verlag Wien 2022.