Bodies under Water
„Wir alle sind Wasserkörper. Im Wasser erleben wir uns weniger als isolierte Wesen, sondern eher als ozeanische Wirbel: Ich bin ein einzigartiger dynamischer Strudel, der sich in einer komplexen fließenden Zirkulation auflöst.“ (Astrida Neimanis: Hydrofeminism: Or, On Becoming a Bodies of Water, Bloomsbury 2017)
Unter Wasser funktionieren Körper anders als an Land, hier gelten andere Regeln, physikalisch, ökologisch, sozial. Vielleicht liegt hier, losgelöst von den Fesseln des territorialen Denkens, auch eine Utopie verborgen – frei von Binaritäten, patriarchalen Hierarchien und der Logik des Kapitalismus –, die die Dominanz einer männlich geprägten Sicht auf die Welt vergessen lässt! Das sagt sich leicht, und schnell ist die Forderung „anders zu denken“ geschrieben. Aber was bedeutet dieses andere Denken in der Praxis? Was kostet es, sich von eingeübten Mustern und Kategorien zu trennen? Wie ist es möglich, die Komfortzone des Landdenkens zu verlassen und mit der eigenen Körperlichkeit im Element Wasser zu erproben?
Seit Jahrhunderten bilden Frauen in Japan (Ama) und Südkorea (Haenyeo) besondere Gemeinschaften, die dem Meer verbunden sind. Sie tauchen nach Seeohren – ein Beruf, der weit mehr ist als Arbeit: eine Berufung, in die Herzblut und generationsübergreifendes Wissen einfließen. Für die Seefrauen ist das Meer nicht ein Ort des Fischfangs, sondern ein Raum der Koexistenz, geprägt von Respekt und Nachhaltigkeit. Doch steigende Temperaturen und zunehmende Verschmutzung haben spürbare Folgen. Mit eigenen Augen sehen die Seefrauen, wie das Leben im seichten Wasser verschwindet. Um weiterhin bestehen zu können, müssen sie tiefer tauchen – physisch und metaphorisch.
Inspiriert von diesen Expertinnen taucht Annalisa Engheben zusammen mit Schauspieler*innen in die Tiefsee des MalerSaals ab, wo Flüssigkeit zur Metapher für Freiheit, Verbindung und Wandel wird. Sie nehmen uns mit in eine poetische wie wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konzept des „Wasserkörpers“, auf der Suche nach einer hydrofeministischen Avantgarde. Die Performance erprobt, was es bedeutet, unsere Körper als durchlässige, vernetzte Wasserkörper zu denken, die nicht länger in Abgrenzung zu anderen stehen, sondern in einem großen, verwobenen Kreislauf leben. Welche neuen Geschichten, welche Formen von Gemeinschaft und welche Bilder lassen sich in den Tiefen finden, die es lohnt, mit an Land zu bringen?