Die Nacht kurz vor den Wäldern
XX
Ein Mensch ohne Namen zieht durch eine regnerische Nacht auf der Suche nach Schutz und Geborgenheit. Er streunt durch eine ihn verurteilende, ablehnende Welt, die ihm in jeder Sekunde seine eigene Fremdheit vor Augen führt. Der Mensch ist ein Ausgegrenzter ohne Mittel und Beziehungen, voll von Enttäuschung und Wut, missverstanden und getrieben von einer revolutionären Vision: Er träumt von einer Gemeinschaft, einem internationalen Syndikat aller Abgehängten und Unterdrückten, das die falsche Welt zertrümmern soll.
Doch seine Geschichte wird brüchig, je weiter uns der Mensch mit in seine Welt nimmt. Die Zeit gerät durcheinander, die Ereignisse, von denen er erzählt, gleiten ab ins Absurde. Er kämpft um Konsistenz, doch verkommen seine Erzählungen zu Bruchstücken, Erinnerungsfetzen. Die Grenzen zwischen Wahrheit und Einbildung scheinen zu verschwimmen, seine Absichten verrätseln sich.
Mit seinem verstörenden Text über die radikale Sinnsuche eines Außenseiters feierte der französische Autor, Regisseur und Dramatiker Bernard-Marie Koltès 1977 seinen internationalen Durchbruch.
Leo Schenkel, Regieassistent am Deutschen SchauSpielHaus, inszeniert den aus einem einzigen Satz bestehenden Monolog im RangFoyer mit Anne Müller.