Glückliche Tage
„Nichts ist komischer als das Unglück!“
(Samuel Beckett)
Glückliche Tage? Eine apokalyptische Landschaft, eine Frau, ab der Taille versunken, bewegungsunfähig, die tiefer und tiefer rutscht. In ihrer Nähe ihr Mann, auch kein homo erectus, sondern ein schwerhöriger, schläfriger, wortkarger Vierbeiner, der sich nur kriechend fortbewegen kann. Andere Menschen, die helfen könnten, kommen nur in der Erinnerung der unaufhörlich vor sich hin plappernden Frau vor. Doch im krassen Widerspruch zu der katastrophalen äußeren Situation erscheint die Frau tatsächlich als Inbegriff eines glücklichen Menschen, der sich mit allerlei Gebrauchsgegenständen aus einer Tasche die Zeit vertreibt, selten Unmut oder Niedergeschlagenheit äußert, sich über unscheinbarste Ereignisse freut und mit unbeirrbarem Optimismus das Schicksal belächelt. Das ist paradox und typisch für Beckett, der den Diskurs vom Glück durch eine kontinuierliche Verschlechterung der Umstände – zum Schluss ist die Frau fast gänzlich versunken und kann nur noch ihre Augen bewegen – ironisch unterläuft. Denn Frau und Mann, Winnie und Willie, sind Komplizen ihres Schicksals. Sie verlangen nicht, dass man sie befreie, sie kämpfen nicht gegen ihre Situation, sondern sind an ihre Lebensweise perfekt angepasst. Das ist ihre Tragödie, aber auch ungeheuer komisch, und genau hier offenbart sich die politische Dimension von Becketts Werk: Der Zuschauer wird Zeuge einer letzten Stunde. Die Ursache der Katastrophe bleibt verborgen, vielmehr offen für Interpretation. Fest steht aber: Der Mensch gibt sich geschlagen und bejaht seinen Untergang.
»Glückliche Tage«, einer der visionärsten Texte des zwanzigsten Jahrhunderts, wurde 1961 in New York uraufgeführt. Es inszeniert die britische Regisseurin Katie Mitchell, die am Deutschen SchauSpielHaus zuletzt mit »Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino« einen großen Erfolg feierte.
Julia Wieninger wurde für ihre Darstellung der Winnie mit dem Rolf Mares Preis 2015 ausgezeichnet.