1964 gibt Hannah Arendt dem noch jungen Journalisten Günter Gaus ein Interview, das inzwischen legendär ist. Arendt begegnet ihrem sanften Gegenüber mit der gnadenlosen Präzision ihrer Intellektualität. Immer wieder kommt sie auf den Schock von 1943 zu sprechen, als sie, inzwischen im US-amerikanischen Exil, von der „Fabrikation der Leichen“ (Arendt) in Auschwitz erfuhr. Ein Schock, aus dem ihre politische Theorie des Begreifens erwuchs: „Begreifen bedeutet, sich aufmerksam und unvoreingenommen der Wirklichkeit, was immer sie ist oder war, zu stellen und entgegenzustellen.“ Es ist dies ein Entgegenstellen, das, 2025, immer schwieriger zu werden droht. Nicht nur, weil der Wille genau hinzuschauen schwindet, sondern schlicht und ergreifend deshalb, weil 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs das Erinnern an Wirklichkeit, die immer auch Vergangenheit ist, schwindet. Julia Wieninger erweckt in diesem Reenactment die große Hannah Arendt einen Abend lang zum Leben.
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