Eines langen Tages Reise in die Nacht
Ein verheerender Augusttag im Sommerhaus der Familie Tyrone. Draußen zieht Nebel auf, drinnen wird bereits mittags die erste Flasche Whiskey geleert. Der Vater und seine beiden Söhne sind alkoholabhängig, die Mutter morphiumsüchtig, alle geben sich gegenseitig Schuld an der Familienhölle und verlieren sich in einer Dämmerung von Rausch und Selbstbetrug. Der Nobelpreisträger Eugene O’Neill hat mit diesem 1940 geschriebenen Stück seine eigene Familie nachgezeichnet, verdichtet dieses Porträt jedoch mit psychologischem Scharfsinn zu einer allgemeineren Tragödie des Scheiterns: „Ich möchte erreichen, dass die Zuschauer, wenn sie das Theater verlassen, innerlich darüber jubeln, auf der Bühne jemand gesehen zu haben, der mit seinen unlösbaren Widersprüchen kämpft, der nicht siegt, sondern unvermeidlich der Besiegte ist. Erst durch diesen Kampf gewinnt das Leben des Einzelnen seine Bedeutung, auch wenn er von Anfang an aussichtslos ist. Erst das Tragische macht unser Leben lebenswert. Deshalb müssen unsere Träume immer größer sein als das, was uns erreichbar ist. Denn unser einziger Gewinn liegt im Scheitern bei der Verwirklichung unserer Träume.“
O’Neill erzählt in »Eines langen Tages Reise in die Nacht« vom Scheitern der Liebe, von Verfehlung, von Täuschung, Verblendung und Scham. Er erzählt auch vom Theater, denn Tyrone und sein ältester Sohn sind Schauspieler, zwischen Hybris und Minderwertigkeitskomplexen zerrissen, und der jüngste Sohn, dessen Tuberkulose-Erkrankung von der Familie als Grippe verharmlost wird, will die Welt als Dichter fassen und überhöhen. Wie hier der eine Mensch dem anderen zum Verhängnis wird, das Alltägliche sich ins Monströse wendet, wie das Unglück eines jeden Einzelnen sich gegenseitig steigert, bis ein fiebriger Sommertag in eine unglückselige Nacht mündet und erst in der kalten Stunde vor dem Sonnenuntergang endet, das macht dieses Stück zum Meisterwerk.