Zukunft der Demokratie #5
Lukas Bärfuss im Gespräch mit:
Es geschieht selten, dass der Titel eines soziologischen Buches zur Redensart wird. Didier Eribon ist dies gelungen. Seine autobiografische »Rückkehr nach Reims«, eine Wiederbegegnung mit den beengten, rassistischen und homophoben Verhältnisse seiner Herkunft, wurde europaweit zum Bild für das Scheitern der Linken. Wann hat sie ihre Wählerschaft verloren? Warum wählen Menschen mit geringem Einkommen heute rechtsextreme Parteien? Eribon sieht einen der Hauptgründe in der Aufgabe dessen, was er als historische Mission der Linken erkennt: die Verteidigung der Interessen der Arbeiterklasse. Die Sprache der Linken sei zu einer Mischung aus pseudomodernistischem, technokratischen Diskurs und reaktionären Klischees verkommen. Die Rolle des Staates bestehe darin, das öffentliche Interesse gegen die Profitgier der Privatinteressen zu verteidigen. Heute würde eine solche Politik als Torheit einer radikalen Linken verschrien. Dem Feminismus kommt nach Eribon dabei eine zentrale Rolle zu. Er müsse sich an die ausgebeuteten und prekarisierten Klassen, an alleinerziehende Mütter und an arbeitslose Frauen wenden. Unter den Verantwortlichen für den Niedergang sieht er auch die Intellektuellen. Jürgen Habermas habe das Erbe der Frankfurter Schule verraten. Für eine Wiedergeburt der Linken brauche es zweierlei: Ein radikal kritisches Denken und progressive politische Aktionen.
In französischer Sprache mit deutscher Übersetzung