Der Idiot
XX
Ein guter Mensch sein, selbstlos und uneigennützig handeln, galt wohl schon zu Dostojewskis Zeiten als idiotisch. Fürst Myschkin kehrt von einem Sanatoriumsaufenthalt in der Schweiz, wo er als Epileptiker behandelt wurde, nach Petersburg zurück. Hochgradig naiv, unschuldig, emphatisch ist er ein „im positiven Sinne schöner Mensch“, wie Dostojewski selbst formuliert. Aber er verunsichert seine Mitmenschen, die ihm bei jeder sich bietenden Gelegenheit deutlich erklären, wofür sie ihn halten: für einen Idioten eben. Und selbst die Menschen, die vorgeben, ihn zu lieben, quälen ihn: Da ist der Kaufmann Rogoschin, den er auf der Heimreise kennenlernt, und der ihn in seine brutale Liebesgeschichte mit Nastassja Filippowna verstrickt. Da ist die mit ihm verwandte Generalin und ihre drei Töchter, deren jüngste Aglaja ihn mit ihrem ambivalenten Begehren überfordert. Da ist die tief unglückliche Nastassja, die er vergeblich zu retten sucht. „Die gesamte Bewegung des Buches gleicht einem ungeheuren Kratereinsturz,“ schreibt Walter Benjamin über den Roman, und tatsächlich kann sich Fürst Myschkin aus den sich auf ihn zustürzenden Figuren nicht mehr befreien, die Katastrophe nicht verhindern.