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Die Maschine oder: Über allen Gipfeln ist Ruh

aus dem Französischen von Eugen Helmlé

von Georges Perec und Johann Wolfgang von Goethe
Regie: Anita Vulesica
Uraufführung am 12/10/2024
SchauSpielHaus
1 Stunde
30 Minuten
Die Maschine / Eike Walkenhorst
Die Maschine / Eike Walkenhorst
Die Maschine / Eike Walkenhorst
Die Maschine / Eike Walkenhorst
Die Maschine / Eike Walkenhorst
Die Maschine / Eike Walkenhorst
Die Maschine / Eike Walkenhorst
Die Maschine / Eike Walkenhorst
Die Maschine / Eike Walkenhorst
Die Maschine / Eike Walkenhorst
Die Maschine / Eike Walkenhorst
Die Maschine / Eike Walkenhorst

Der französische Autor Georges Perec zählt zu den bedeutendsten und innovativsten des 20. Jahrhunderts. Jeder seiner Romane folgt einem anderen formalen Konzept – fast alle genießen Kultstatus. 1968 schrieb er im Auftrag des SR/WDR ein Hörspiel, in dem eine Maschine die Aufgabe hat, ein Gedicht zu analysieren. Perec, dessen Vater im Krieg gegen die Deutschen fiel und dessen Mutter vermutlich in Auschwitz-Birkenau ermordet wurde, wendet Techniken der Informationstheorie und Programmiersprache ausgerechnet auf das wohl berühmteste deutsche Naturgedicht an: »Wandrers Nachtlied« von Johann Wolfgang von Goethe. In Perecs Hörstück kommunizieren keine Menschen sondern Schaltkreise. Was dabei allerdings zu Tage tritt, ist nicht nur die analytische Arbeitsweise künstlicher Intelligenz – überraschenderweise offenbart sich in der sprachlichen De- und Rekonstruktion des Gedichts auch die Funktionsweise von Poesie. Und damit gerade die Differenz zwischen künstlicher und menschlicher Intelligenz. Die abstrakte Analyse der Maschine zaubert aus dem goetheschen Achtzeiler in streng formaler Ordnung immer neuen Sinn und Unsinn, immer neue semantische Schönheiten und Absurditäten hervor.

Die preisgekrönte Regisseurin Anita Vulesica, die mit »Die Maschine« ihr Debüt am Deutschen SchauSpielHaus gibt, geht in ihrer Inszenierung noch einen Schritt weiter: Bei ihr arbeitet die künstliche Intelligenz der Maschine, indem sie nach dem Wesenskern menschlicher Poesie sucht, an der Rettung der Menschen vor sich selbst und einer alles beherrschenden instrumentellen Vernunft.

Pressestimmen

nachtkritik.de

„Klug ergänzt die Regisseurin Perecs Text, adaptiert, aktualisiert und rhythmisiert ihn, und fügt mit den fünf großartigen Darsteller*innen eine feine Menge Humor, Musikalität und brizzelnde Spiellust hinzu, setzt selbstbewusste Pausen voll schwereloser Stille.“

„Meist spielsitzend gelingt den Darsteller*innen […] eine irrwitzige, feine Komik: Da blitzt ein lautes sich Wundern über die Sprache auf, ein plötzliches Behaupten von nicht vorhandenen Bedeutungen und ein hoffnungsloses sich Verhaspeln in Konsonanten. Mit kleinen Gesten und manchen Zuckungen erzählen Dippe, Grove, Jöde und Hoevels von Nervositäten und Profilneurosen, von Kunstkennerschaft, Musik und Sprachzauber. Sie agieren enorm präzise, fast mechanisch, und doch bricht ihnen immer wieder ihr Menschsein durch, zeigt sich im Unberechenbaren und im Fehlerhaften.“ (Katrin Ullmann)

Hamburger Abendblatt

„So spannend haben Sie Goethes Achtzeiler noch nie erlebt. Denn dieser Abend ist unglaublich präzise gearbeitet, sehr kurzweilig und voller Witz. […] Das geht natürlich auch nur mit einem Ensemble, das ganz offensichtlich Spaß an der Sache hat und mit bemerkenswerter Akkuratesse die Körperarbeit und Choreografien umzusetzen versteht.“ (Susanne Oehmsen)

NDR Kultur / NDR 90,3

„Der Text von Georges Perec zeigt auf beeindruckende Weise, was Sprache, was Poesie bedeuten kann. Wie sie entsteht. Allein mit Logik ist sie nicht zu reproduzieren. Regisseurin Anita Vulesica setzt durchaus folgerichtig auf die Kraft des hier betont altertümlich Analogen und folgt Perecs Spielereien lustvoll, lässt ihn außerdem selbst als Figur auftreten und allerlei erläutern […]“ (Katja Weise)

FAZ

„Wie ein mechanischer, perfekt eingespielter Organismus eignet sich das bewundernswerte Ensemble Goethes kleines Gedicht als großen Schabernack an – dermaßen komisch, wie es nur mit vollem Ernst geschehen kann. Die Extremrhetoriker zeigen, wie viel Musik in Perecs paradoxer Partitur steckt, sie singen und tanzen und haben selbst für die kuriosesten Anforderungen – „das gedicht im stil eines elisabethanischen sonetts“ – eine schnelle Lösung parat.“

„Beschwingt, berauscht und hoch konzentriert überrascht die Inszenierung von Anita Vulesica mit immer neuen theatralischen Formationen. Das glänzend-tollkühne Ensemble macht aus Georges Perec zwar keinen William Shakespeare, lässt indes aufs Schönste an dessen Hamlet denken: „Und ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode.“ (Irene Bazinger)

Süddeutsche Zeitung

„Die klügsten Lachsalven der Saison: Am Schauspielhaus Hamburg wird Georges Perecs linguistisches Goethe-Experiment »Die Maschine oder: Über allen Gipfeln ist Ruh« performt – und frenetisch bejubelt: ein Sprachwunder.“

„Es ist so selten geworden, einen Humor zünden zu sehen, wie er nur im Theater funktioniert. Während Fernseh- und Tiktok-Klamauk immer mehr Raum gewinnt in Inszenierungen, die mit MG-Pointen und Schadenfreude hoffen, zeitgenössische Satire zu zeigen, ist das geduldige Entwickeln von Lachsalven durch konzentrierte Sprachbehandlung fast vom Aussterben bedroht.“

„Ohne großes technisches Bühnenbrimborium oder zwanghafte Bezüge zu heutigen Krisen zeigt Vulesica mit Perecs „Die Maschine“, was Sprache kann, wenn sie als komplexes Medium ernst genommen wird: nämlich unglaublich komisch zu sein.“

„Und Goethes Schweigen im Walde wird sogar auch noch zur finalen Pointe. Die letzte analytische Schleife der Poesie-Maschine beschäftigt sich mit der „Ruh‘“ selbst, dem Frieden, der Stille. Ihr letztes Wort: „pst“. Danach ist kein Halten mehr im Schauspielhaus.“ (Till Briegleb)