Reisende auf einem Bein
Irene verlässt ihre osteuropäische Heimat, die von einem Diktator regiert wird, als politisch Verfolgte und kommt 1987 mit einem einzigen Koffer nach West-Berlin. Sie hofft Sicherheit und Zuversicht zu finden, doch die Verletzungen der Vergangenheit schmerzen auch hier. Noch herrscht Kalter Krieg: Aus dem „Ostblock“ kommend muss sie sich Verhören durch den Bundesnachrichtendienst unterziehen. Und vor ihrer Einbürgerung steht das umständliche und langwierige Aufnahmeverfahren der Flüchtlingsbehörden. Irene sieht: schwer bewaffnete Soldaten an der Mauer, Armut auf den Straßen, Prostitution und Kälte unter den Menschen. Doch sie weiß, dass ihr Blick auf die neue Umgebung auch von alten Traumata geprägt ist. Nähe sucht sie bei Franz, einem deutschen Studenten, den sie als Urlauber am Schwarzen Meer kennengelernt hat. Doch letztendlich bleibt er ihr fremd, ebenso wie die Stadt und das neue Land, in dem sie eigentlich glückliche Ankunft sucht.
Für ihren Roman »Atemschaukel« erhielt Herta Müller 2009 den Nobelpreis für Literatur. »Reisende auf einem Bein« ist ihr erster Prosaband nach ihrer Übersiedlung aus Rumänien 1987 nach West-Berlin: eine bewegende Geschichte von Ferne und Nähe, Abreise und Ankunft und innerer Zerrissenheit, in brillanten Sprachbildern geschildert. Katie Mitchell inszeniert diese Erzählung mit filmischen und theatralischen Mitteln und wurde dafür 2016 mit dem Theaterpreis Hamburg in der Kategorie „Herausragende Inszenierung / Dramaturgie“ ausgezeichnet.