Der Kirschgarten
Wir sprechen kaum von ihnen und vergessen ihre Namen. Die Philosophie hat sie schon immer vernachlässigt, aus Geringschätzung mehr als aus Unachtsamkeit. Sie sind kosmisches Ornament, unwesentlicher Farbtupfer am Rande unseres kognitiven Feldes. Die Pflanzen sind die immer offene Wunde der metaphysischen Arroganz, die unsere Kultur definiert.
Emmanuele Coccia, »Die Wurzeln der Welt«
Längst ist es an der Zeit, die stummen Protagonisten aus Anton Čechovs berühmtem letzten Werk in den Vordergrund zu holen. In einem multimedialen Theaterexperiment aus Live-Film, Hörspiel, Video-Installation, Performance und Konzert nimmt Katie Mitchell einen Perspektivwechsel vor und macht die Bäume des »Kirschgartens« zum Ausgangspunkt ihrer Inszenierung. Unsere Wahrnehmung wird sich neu ausrichten müssen auf die Bedrohung des existentiellen Ökosystems unseres Planeten. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass die Generation der Kirschgartenbesitzer*innen noch nicht einmal mehr wahrnimmt, „dass sie nur auf Pump lebt, auf fremde Kosten“? Oder – falls sie es dann doch einmal tut – dass sie unfähig ist, etwas Grundlegendes dagegen zu unternehmen?