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Die Abweichlerin

nach dem Roman »Vilhelms Zimmer« / von Tove Ditlevsen / Deutsch von Ursel Allenstein
Regie: Karin Henkel
Deutschsprachige Erstaufführung am 12/03/2025
SchauSpielHaus
2 Stunden
20 Minuten
keine Pause
Die Abweichlerin / Lalo Jodlbauer
Die Abweichlerin / Lalo Jodlbauer
Die Abweichlerin / Lalo Jodlbauer
Die Abweichlerin / Lalo Jodlbauer
Die Abweichlerin / Lalo Jodlbauer
Die Abweichlerin / Lalo Jodlbauer
Die Abweichlerin / Lalo Jodlbauer
Die Abweichlerin / Lalo Jodlbauer
Die Abweichlerin / Lalo Jodlbauer

Die dänische Autorin und Künstlerin Tove Ditlevsen zählt zu den berühmtesten literarischen Größen ihres Landes. Seit kurzem wird sie für das deutsche Theater neu entdeckt. Ihr letzter Roman, »Vilhelms Zimmer«, den sie 1975 veröffentlichte, gilt neben der »Kopenhagen-Trilogie« als ihr Meisterwerk und wird als ihr kunstvollster und modernster Roman bezeichnet.

In schonungslosen, glasklaren und hochpoetischen Sätzen blickt Tove Ditlevsen auf ihr bewegtes Leben zurück. „Ich möchte ein Buch schreiben über Vilhelms Zimmer und alles, was darin geschah oder davon ausging; jene Ereignisse, die zu Lises Tod führten, den ich nur überlebt habe, damit ich ihre und Vilhelms Geschichte aufschreiben kann. Einen anderen Sinn hat mein Dasein nicht.“

Tove Ditlevsen spaltet sich in ihrem autofiktionalen, literarischen Schreiben gleich in mehrere Figuren auf: da gibt es die boshafte Nachbarin Frau Thomsen, Lises Exmann Vilhelm, der zugleich der Ehemann des „Ich“ ist, dessen neue Geliebte Mille, Lises Sohn und den ewig klammen Untermieter Kurt. Ein kurioses Panoptikum gescheiterter Existenzen, die sich in ihrer Einsamkeit begegnen und doch zur Beziehung und einem normalen Leben untauglich sind. Und niemand weiß letztendlich, ob sie nicht Ausgeburt einer Phantasie des „Ich“ sind oder dieses Haus um Vilhelms Zimmer tatsächlich bewohnen.

Als Kind der Arbeiterklasse in Armut aufgewachsen, schien ein Schriftstellerinnendasein für Tove Ditlevsen nicht vorstellbar. Zeitlebens kämpft sie als Frau im männerdominierten Literaturbetrieb um Anerkennung. Sie bietet ihr ganzes künstlerisches Schaffen gegen ihre psychische Erkrankung, ihre Tablettensucht und die gescheiterten Beziehungen auf – zuletzt in »Vilhelms Zimmer«, wo sie die letzte der vier Ehen in ein dichterisches Inferno verwandelt.

Die Regisseurin Karin Henkel, die zuletzt mit der Inszenierung »Richard the Kid & the King« nach Shakespeare für Aufsehen sorgte, wird mit der deutschsprachigen Erstaufführung »Die Abweichlerin« von Tove Ditlevsen ihre langjährige künstlerische Arbeit am Deutschen Schauspielhaus Hamburg fortsetzen.

 

Hinweis

content note

Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass in dieser Inszenierung Suizid und Tablettenabhängigkeit thematisiert werden.

Pressestimmen

nachtkritik.de

„Wie eine Puppenspielerin wird [Lina Beckmann] vor allem in der ersten von zwei Stunden das Personal dirigieren, aber auch selbst immer wieder tief eintauchen in die Rolle der Lise, dann wieder aus ihr heraustreten und erzählen, was passiert, und zwischendurch in Nebenrollen aufgehen. Das allein ist schon eine Wucht […]. Die Bühne von Barbara Ehnes bietet dem sehr präsent agierenden Ensemble im wesentlichen zwei flexible räumliche Elemente. […] Teresa Verghos Kostüme schlagen mit Witz den Bogen vom Alltäglichen zur Groteske. […] Eine vielschichtige Begegnung und ein komplexer Abend, der den Blick für immer noch ungleiche Geschlechterverhältnisse schärft. Und spannendes Theater.“ (Andreas Schnell)

Süddeutsche Zeitung

„Es ist eine bedrängende, bild- und spielstarke Inszenierung von großer Sogkraft, in der sich die Dichterin (Lina Beckmann) zwischen lauter halb leblosen, grotesk irrealen Geisterbahn-Figuren bewegt. […] Beckmann gibt ihr mit all ihrer umwerfenden Warmherzigkeit, ihrer Lakonie und trockenen Komik eine trotzige Würde, mit der sie ihren Eigensinn, ihre Kunst, ihre Autarkie verteidigt.“ (Peter Laudenbach)

NDR Kultur

„Die Schauspielerin Lina Beckmann verkörpert Lise mit jeder Faser. So einen Theater-Moment erlebt man nur ganz selten […] Der verstörende Theaterabend spielt mit der Nähe zur Realität, lässt die Wirklichkeit verschwimmen. […] Was das Stück so packend macht: Es zeigt ein Einzelschicksal, in allen Facetten, wie ein offenes Buch. […] Wir sehen [Lise] beim Denken zu, dabei, wie ihr die Welt entgleist. Lina Beckmann ist das Zentrum des brillanten Ensembles. Mit einer Ehrlichkeit, die sprachlos macht.“ (Peter Helling

Die deutsche Bühne

„[Die] Textvorlage, biografisches Wissen und Kommentare in Richtung Publikum verwebt die Regisseurin zu einer Fassung aus mehreren sprachlichen Ebenen, die über pausenlose zwei Stunden und zwanzig Minuten hinweg fesseln. Im Mittelpunkt: Lina Beckmann in mehreren Rollen, wandlungsfähiger denn je. […] Trotz des tragischen Lebens, das sich auf der Bühne differenziert auffächert, blitzt immer wieder schelmischer Humor auf: in pointierten Sätzen und in den Augen Lina Beckmanns. Ein faszinierender Abend.“ (Dagmar Ellen Fischer)

Deutschlandfunk Kultur

„[Lina Beckmann] trifft alle Töne, die des hohen, heiteren Tons und in der nächsten Sekunde erzählt sie von dieser tiefen, tiefen Einsamkeit. Das ist wirklich höchst ergreifend und manchmal auch wirklich heiter. […] Es ist tragisch-komisch. […]“ (Katrin Ullmann)

Hamburger Abendblatt

„Lina Beckmann dominiert diesen mehrstimmig angelegten Abend mit einer schillernden Bandbreite des Spiels. Neben ihr gelingt es auch den präzise skizzierten Nebenfiguren, ihrer eher schablonenartigen Anlage zu entkommen und dabei ein berührendes Panoptikum des Unglücks abzugeben. […] Wenn sich die Inszenierung Ausflüge in Humor und Groteske erlaubt, fühlt sich das Gewicht des Inhalts gleich ein wenig leichter an. […] Kein einfach zugänglicher, aber doch ein sehenswerter Theaterabend.“ (Annette Stiekele)

Theater der Zeit

„Linn Reusse spielt [Vilhelms] neue Freundin Mille mit einer geradezu niederschmetternden Verbindlichkeit, Daniel Hoevels gibt dem pubertären Sohn des Paares etwas von einer Comicfigur und Matti Krause karikiert sowohl Lises Haushälterin wie die gruselige Nachbarin. […] Auch wenn der spielstarke Abend nur etwa bis zur Hälfte so dicht und mitreißend ist wie ein guter Krimi, berührt er existenziell und bringt die Zuschauer:innen mit ihren eigenen Vorurteilen und Rollenbildern in Kontakt. Damit ist „Die Abweichlerin“ eine der besten Inszenierungen von Karin Henkel seit langem.“ (Sabine Leucht)